Auf den Spuren der Indoeuropäer by Haarmann Harald

Auf den Spuren der Indoeuropäer by Haarmann Harald

Autor:Haarmann, Harald [Haarmann, Harald]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406688256
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2017-01-23T16:00:00+00:00


Die Etrusker, Lehrmeister der Römer

Die Anfänge der frühen Sprachkontakte in Italien und die Konsolidierung der politischen Macht Roms liegen im 1. Jahrtausend v. Chr. Um diese Anfänge zu verstehen, muss man sich von generalisierenden Vorstellungen über die Zeitepoche lösen, die wir Antike nennen. Seit Jahrhunderten hat sich ein stereotypes Bild der europäischen Antike geformt, in dem die Konturen zweier Zivilisationen hervortreten, der älteren griechischen und der jüngeren römischen. Um das Kulturschaffen und die geistigen Strömungen dieser beiden symbiotisch miteinander verflochtenen Welten ins rechte Licht zu setzen, kann man sich nicht auf die Analyse dessen beschränken, was aus traditioneller Sicht als griechisch und was als römisch gilt. Allmählich tritt aus dem Schatten der kanonischen Antikenforschung eine weitere Zivilisation: die etruskische.

Bei den Griechen hieß dieses Volk Tyrsenoi (oder Tyrrhenoi), bei den Römern Tusci, und in ägyptischen Texten aus der Zeit Pharao Ramses III. (20. Dynastie, 12. Jahrhundert v. Chr.) werden die Etrusker (Teresh genannt) unter den «Seevölkern» aufgeführt (Briquel 2004). Die römische Namensform lebt bis heute weiter im Namen der Toscana, des Kernlandes etruskischer Siedlung, die griechische im Namen für den Teil des Mittelmeers im Nordwesten Italiens, das Tyrrhenische Meer. Die Etrusker selbst nannten sich Rasenna (bzw. in spätetrusk. Form Rasna). Nach Herodot (I.94) war Rasenna der legendäre Führer, der die Vorfahren der Etrusker aus Kleinasien nach Italien führte. Nach mythologischer Überlieferung waren die Tyrsener Verbündete Trojas im Krieg gegen die Mykener und gehörten damit zu den Verlierern des wohl berühmtesten Krieges der griechischen Antike. Wenn dieser Mythos einen realen Kern hat, dann gab vielleicht der verlorene Trojanische Krieg den Ausschlag, dass ein großer Teil der proto-etruskischen Elite auswanderte.

Historiker und Archäologen tun sich bis heute schwer mit der Vorstellung, dass die Etrusker aus dem ägäischen Raum eingewandert sind. Es wird immer wieder dasselbe Argument angeführt: Die Etrusker können nicht eingewandert sein, weil sich das typische Gepräge ihrer Kultur erst in Italien ausgebildet hat. Dies stimmt. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass nicht «die» Etrusker eingewandert sind, wie wir sie als Volk aus Italien kennen, sondern deren Vorfahren, die Proto-Etrusker, in deren Kultur wahrscheinlich noch viel mehr ägäisches Erbgut lebendig war, als es sich im Profil der etruskischen Kultur der vorrömischen Ära identifizieren lässt. Die Frage nach der Einwanderung der Etrusker als des historischen Volkes, das uns in Italien entgegentritt, ist also falsch gestellt. Damit erübrigt sich aber nicht die «richtige» Frage nach der Herkunft des unübersehbaren ägäischen Kulturerbes. Woher kamen die Vorfahren der Etrusker, die Proto-Etrusker? In dieser Form gestellt, wird die Frage wiederum den Realitäten ethnischer Transformationsprozesse gerecht, die sich hier ansetzen lassen.

Die These: Bei den Einwanderern, die im Verlauf des 11. und 10. Jahrhunderts v. Chr. nach Italien gelangten, handelte es sich um «eine zahlenmäßig wahrscheinlich gar nicht starke Gruppe von ‹Tyrrhenern›, die aus dem kleinasiatisch-ägäischen Bereich kommen (…) Sie sind die Träger einer hochentwickelten Stadtkultur, deren Wurzeln in der vorindoeuropäischen Hochkultur des 2. Jahrtausends v. Chr. (…) liegen» (Pfiffig 1989: 8). In den vergangenen Jahren hat die archäologische und sprachhistorische Forschung Erkenntnisse geliefert, die für die Migrationsthese sprechen und die Annahmen von der Urheimat der Proto-Etrusker im ägäischen Raum stützen.



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